Lassen Sie uns offen sprechen: Mit der Rechtschreibreform lässt sich kein Hund mehr hinter dem Ofen hervorlocken, und nur verwundert blickt man zurück auf das, was in den 1990er Jahren an Diskussionen über die Reform der deutschen Orthografie angezettelt wurde. Mit schweren Geschützen wurde da gekämpft, der sofortige Untergang des Abendlands an die Wand gemalt, und manche Schriftsteller unterschrieben alle möglichen Resolutionen, die darauf drangen, um jeden Preis an der alten, vermeintlich so guten Schreibung festzuhalten – was manchmal verblüffte, da die Manuskripte dieser Schriftsteller keineswegs immer Sattelfestigkeit in Sachen Rechtschreibung verrieten.
Vor kurzem (oder: Kurzem?) wurde daran erinnert, dass vor 20 Jahren die Rechtschreibreform, mit der sich sogar das Bundesverfassungsgericht auseinanderzusetzen hatte, in Kraft trat. Initiiert wurde sie, um Bildungsbarrieren zu überwinden und es den Schülern leichter zu machen. Geblieben ist davon wenig, sieht man von immensen Kosten und der nie erkaltenden Oberlehrerwut ab. Auch die "Duden"-Redaktion hat inzwischen still und leise resigniert und lässt uns neuerdings die Wahl, ob wir die Regeln kennenlernen oder kennen lernen wollen. Dämliche Neuerungen wie das "Portmonee" beerdigte man klammheimlich, und auch der "Tunfisch" wurde in den wenigsten Pizzerien und Supermärkten ernsthaft umgesetzt.
Dass aus "daß" nicht nur in der Schweiz flächendeckend ein "dass" wurde, kratzt heute niemanden mehr, und durchaus sinnvoll finden wir es, wenn "im Dunkeln tappen" generell großgeschrieben wird, egal, ob wir es metaphorisch oder nicht metaphorisch meinen. Verlage und Redaktionen haben sich auf individuelle Hausschreibungen geeinigt, und Autoren, die für verschiedene Medien arbeiten, kommen nicht umhin, in ihrer Rechtschreibung tagtäglich zu variieren.
Viel zu wenig beachtet wird, dass die Alltagsschreibungen sich mehr und mehr an amerikanische Vorbilder wie "Service Station" halten und zusammengesetzte Substantive wahllos auseinanderreißen. Was zuvor lediglich bei Firmennamen wie Suhrkamp Verlag toleriert wurde, ist mittlerweile zu einer grassierenden Seuche geworden: "Butter Schnitzel" oder "Spargel Salat" sind keine Speisekartenausreißer mehr, sondern gang und gäbe. Der Verzicht auf Bindestriche oder Kommata greift um sich und macht das Leben nicht schöner.
Vor ein paar Tagen etwa weilte ich in Klagenfurt, auf den Spuren der dort aufgewachsenen Ingeborg Bachmann. Abends besuchte ich die St.-Egid-Pfarrkirche (ja, so schreibt man das), um die letzte Ruhestätte Julien Greens zu besichtigen, und nahm anschließend in einem Café nebenan Platz, als mein Blick auf einen nahe gelegenen Imbiss fiel. "Schnitzel Kebap Bar" nennt sich das bescheidene Etablissement, und der Verzicht auf jegliche Satzzeichen regte mich beim Zweigelttrinken zum Nachdenken an. Handelte es sich um eine Schnitzel-Kebap-Bar? Oder wurden dort Schnitzel und Kebap gereicht? Oder eine – da Österreicher, und vor allem die in Österreich weilenden Touristen, selten auf Schnitzel verzichten wollen – neue Spezialität, der (oder das?) Schnitzel-Kebap, eine aus schön paniertem Wiener Schnitzel hergestellte Grillsensation?
Das alles konnte ich nicht abschließend klären, da die "Schnitzel Kebap Bar" bereits geschlossen war, doch immerhin inspirierte mich das satzzeichenlose Ladenschild dazu, Rechtschreib- und Zeichensetzprobleme zu wälzen und ein weiteres Glas Zweigelt zu bestellen.
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